Leipziger Epitaphe: Eine Tagebuch-Reise zur Promotion (Teil 22)

Neuer Tagebucheintrag, neues Glück. Leider verstummten die Baufahrzeuge an diesem warmen Sommertag nicht für immer. Nachmittag ging’s wieder los. Trotzdem brummte mir nicht der Schädel. Ich konnte mich an den Johannisfriedhof wagen.

Ganze 70 Seiten muss ich bearbeiten. Das bedeutet 503 Inschriften. Danach folgen unzählige Miszellen und Nachträge. Eins stelle ich bei dem ersten Überblick fest: Die Gedenkinschriften unterscheiden sich kaum von den Inschriften in den einzelnen Leipziger Kirchen. Ein Grabstein wurde 1511 gesetzt. Ein anderer stammt von 1674. Stepner unterteilt sein „Liber V. Inscriptionum Lipsiensium In Coemeterio. Auf dem Alten Gottes-Acker Nach Einteilung der Schwibbogen. An der Wand und auff der Erden.“ nach altem und neuem Gottesacker. Nicht ohne Grund. Der Johannisfriedhof wurde im 17. Jahrhundert erweitert. Die Quellen sagen zwar, dass eine Erweiterung 1680 erfolgte. Aber schon 1675 zur Entstehung des Buches von Stepner schien eine Erweiterung erfolgt gewesen zu sein. Viele der damals noch erhaltenen Gräber, die sich in Grüften, an den Wänden und liegend in der Erde befanden, wurden bei der Völkerschlacht in Leipzig 1813 zerstört. 1883 wurden die erste und zweite Abteilung des Friedhofs planiert, bis auf das Grab von Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769) . Johann Sebastians (1685-1750) Grab wurde bei Umbauarbeiten am Kirchenschiff der Johanniskirche 1894 entdeckt, exumiert und in einer Gruft in der von Hugo Licht neu gebauten Johanniskirche eingelassen.

Insgesamt sind über 200.000 Beerdigungen auf dem Alten Friedhof belegt. Die erstrecken sich vom 15. Jahrhundert bis ins Jahr 1883. In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts baute Architekt Hubert Ritter das „Grassi“-Museum auf dem ehemaligen Gelände des alten Johannishospitals. Dort waren bereits die Gräber planiert. Weitere Grababteilungen folgten bei den Straßenumbauten in den Folgejahren. Auch die Gutenbergschule steht auf ehemaligem Friedhof. Von den zahlreichen Grüften ist nur eine erhalten. Von den vielleicht tausenden Grabsteinen lediglich 58. Selbst Grabmäler bekannter Persönlichkeiten wie der von Timotheus Ritzsch (1614 – 1678), dem Buchdrucker, der Leipzig die erste Tageszeitung bescherte, gingen verloren. Seine „Wöchentliche Zeitung“, „Einkommenden Zeitungen“ und die „Neu-einlauffende Nachricht von Kriegs- und Welt-Händeln“ gelten als Vorläufer der „Leipziger Zeitung“, die im 18. Jahrhundert gedruckt wurde und sich bis 1921 unter anderem Namen hielt. Ab dem 19. Jahrhundert erschien bis 1991 noch das „Leipziger Tageblatt“. Auch mal mehr oder weniger mit dem selben Namen. Im Sächsischen Hauptstaatsarchiv kann man noch in der Leipziger Zeitungsgeschichte stöbern. Mal sehen, ob mir erst einmal in den „Inscriptiones“ Timotheus Ritzsch unterkommt.

Der Krach ist jedenfalls jetzt vorbei. Ich kann jetzt in meine Melone beißen und mich auf den morgigen Tag voller Geschichten freuen, die mir die alten Leipziger von früher erzählen.

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